Macht eine kleine, genussvolle Pause.
Mit kleinen, feinen Geschichten,
die die Seele für einen Moment in eine andere Welt entführen.
Wenn die Businesstexte geschrieben sind und der Kopf seine Ruhe braucht, dann schreibt Anja Langensiepen in einer Art privatem Tagebuch, was sie in der Großstadt Berlin erlebt, welche Menschen ihr begegnen, was sie bewundert und was sie glücklich macht.
Berlin, ganz privat erlebt.
„Le superflu, chose la plus nécessaire.“ Das Überflüssige, das wir am nötigsten brauchen. Ein Satz, der eigentlich die Natur des Art Deko beschreibt, passt auch auf einen Aspekt in unserer heutigen Gesellschaft: Wir kommunizieren oft nur über das Notwendigste, vernachlässigen unsere Gedanken und verpassen es, das Leben zu lieben und vor allem zu leben. Wir vereinsamen in einer übervollen Welt.
Die „Geschichten aus Berlin“ erzählen vom prall gefüllten Leben, von traurigen und unvergesslich schönen Stunden. Die Texte sind das komplette Gegenteil zu den klar strukturierten Businesstexten. Und das sollen und dürfen sie auch. Geschrieben sind die Geschichten unter dem Synonym ELODIE. Ein Name, der an Paris erinnert, an das Rauschen eines Kleides, das eine Treppe hinaufstürmt. Ein Name, der einen tief von unten kommenden Augenaufschlägen heraufbeschwört und Stunden größter Emotionen verspricht.
Taucht ein in das Leben der Elodie in der Großstadt Berlin.
Der Waschsalon
Es kam eine Zeit, da die Umstände mich nötigten, einen Waschsalon aufzusuchen. Auf die Art der Umstände gehe ich nicht näher ein, sie waren eben einfach völlig glücklich. Ich packte also in eine unförmige Tasche ein was ich in die – bislang nur im Vorbeigehen und aus dem Augenwinkel wahrgenommenen – riesigen Maschinen zu stopfen gedachte: Bettwäsche, ein paar Shirts und Hosen und Blusen, Handtücher und natürlich die Spitze.
Mit zusätzlich einem 20 € Schein, einem Buch und einer Flasche Wasser ausgerüstet betrat ich den Waschsalon. Aus den Erzählungen und wahrscheinlich auch aus dem Fernsehen erinnerte ich Menschen, die lesend, lernend oder einfach nur so in einem Salon saßen und einsam warteten, bis die Maschine fertig war. Zielstrebig ging ich auf die lange Reihe der roten Maschinen zu, warf meine Habe auf die davorstehende Bank, griff meinen 20 € Schein, trat vor den Automaten, steckte den Schein in den vorgesehenen Schlitz, las und las wieder die wenigen Worte und Piktogramme. Ich verstand nichts. Ich drückte Knöpfe wieder und wieder. Irgendwann wollte ich mein Geld zurück und fand auch die Rückgabetaste, die mir dann meine 20 € in Münzen nicht höher als mit einem Wert von 50 Cent zurückgab. Soll ich Ihnen helfen? Kam eine leise Stimme von um der Ecke. Beate – den Namen verriet sie mir später vorsichtig verschämt – war eine große, tonnenartige, sehr bedächtige Frau mit einem recht einsamen Leben. Sie hatte einen großen Koffer dabei, eine Piccolo und einen aufgeregten Minihund mit einem knallroten Gummiball im Maul. Beate brachte mir sehr gründlich und nach der klassisch bewährten Methode „Erklären. Vormachen. Nachmachen lassen. Allein lassen und beobachten.“ bei, wie ich meine Wäsche richtig einlegte, wusch und trocknete. Meine ersten Schritte gelangen.
Dann betrat eine forsche und beständig telefonierende Studentin den Salon. Wie nebenbei packte sie ihre Klamotten in die Kiste, lümmelte sich auf die Bank vor den Maschinen und berichtete Ihrer Mutter ausführlich von ihrem neuen Liebeskind Beutel, den sie auf der heutigen Fashionshow, zu der sie gehen konnte, weil ihre Freundin als Bloggerin verhindert und außerdem noch Stress mit dem Freund und so…. Ich war froh, dass sie so beschäftigt war, denn irgendwie war es mir schon peinlich, dass ich wohl eine Reisegruppe unbeschadet und ohne Verluste durch Kreuzberg leiten konnte, aber nicht die Anleitung in einem Waschcenter verstand. Und eine Einweisung von der wirklich freundlichen, langmütigen und gründlichen Beate bekam.
Wir waren schließlich bei der Spitze angekommen und Beate war hier nach dem passenden Wasch- und Trocknerprogramm sichtlich überfordert und wollte das WäscheHinweisSchildchen auf dem Stückchen Stoff befragen. Das hatte ich natürlich bei jedem einzelnen Teil abgeschnitten, weil es immer irgendwo rausguckt. Nach einigem lauten Nachdenken und HinUndHerÜberlegen einigten wir uns darauf, diese Sachen zu behandeln wie ihre Küchengardinen aus künstlicher Spitze und dem Motiv „Holländische Landschaft“.
Aus tiefer Dankbarkeit meiner Lehrerin gegenüber ging ich nicht rauchen, packte auch nicht mein Buch aus, sondern setzte mich neben Beate, die Apfelsaftschorle und den Minihund und übte mich im roten Bällchen werfen und in geduldiger Gesprächsführung. Unterbrochen immer wieder von Mitgehen und MitLernen und NachMachen. Nach fast einer Stunde war Beate mit ihrer Wäsche fertig und hatte sie in ihrem großen Koffer verstaut. In der festen Überzeugung, mir alles Notwendige für das Überleben in diesem Waschsalon mitgegeben zu haben verabschiedete sie sich mit den besten Wünschen für einen schönen Abend und vielleicht bis bald und so.
Die Studentin redete noch immer. Ich packte irgendwann Spitze, Handtücher und Bettwäsche, Hosen, Blusen und Shirts, Buch und Unsummen an Kleingeld in meine unförmigen Beutel und ging durch die Tür. Aus dem Augenwinkel sah ich noch einen roten Ball unter der Bank liegen. Und ich fragte mich, was für ein rotes Ding wohl der Minihund zwischen seinen Zähnen davontrug, als er aufgeregt hinter seinem Frauchen durch die Tür wedelte?
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Wundtstraße 11, 14059 Berlin, Deutschland
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